Einfluss von ungesundem Medienkonsum auf meine Kreativität und Fantasie

Ich hadere damit, wie viel ich am Handy hänge, doomscrolle und wie sehr mich der ungesunde Einfluss von Medienkonsum auf Kreativität und Fantasie belastet. Ich hänge ständig vor Insta, TikTok, YouTube, Pinterest, usw. Die Algorithmen der Tech-Firmen funktionieren gut – zu gut. Sie schlagen mir häufig das vor, was ich sehen will und was mich interessiert. Darunter sind viele Inhalte aus kreativen Bereichen: Grafikdesign, Webdesign, Fotografie, Filmmaking.

Content-Overflow

Ich merke, dass mir und meinem künstlerischen Anspruch der dauernde Zugriff auf eine unerschöpfliche Quelle an Inspirationen und Content, den andere Künstler*innen geschaffen haben, überhaupt nicht gut tut. Als ich Kind war, war das anders: Ich bin durch die Welt gelaufen, mit dem kindlichen Blick auf jeden Gegenstand, jede Form, jeden Eindruck. Ich hab hier ’nen Ast gesehen, dort ’nen cool geformten Gegenstand – das hat meine Fantasie angeregt, ich bin nach Hause gegangen, habe einen Zeichen-Stift und Papier in die Hand genommen und habe auf Basis von Eindrucken aus der echten Welt mit meiner kindlichen Fantasie Welten erschaffen.

Verlust der kindlichen Fantasie

Das habe ich nicht mehr. Das ist mir verloren gegangen. Klar kann man sagen: „Ist halt kindliche Fantasie gewesen, aber das ist ja nix, was man als Erwachsene*r noch hat.“ – Aber das stimmt nicht. Es gibt so viele Künstler*innen auf der Welt, die scheinbar unbeeinflusst durch Medien und das, was andere geschaffen haben, etwas kreieren, was vorher noch nicht da war: Die Graffitis von Banksy, die Musikvideos von Rammstein mit ihren wirklich tollen Konzepten, Kleidung auf Wäscheleinen, die wie Tiere aussehen.

Das kann ich nicht (mehr?). Ich sitze (Hauptjob im Büro, SVÆN.IO und Smartphone zusammengenommen) pro Tag safe 14h pro Tag vor einem Bildschirm. Zum notwendigen Übel, dass ich Geld dafür bekomme, vor Bildschirmen zu sitzen, habe ich privat auch viele Hobbies und zeitweise Hyperfocus-Obsessions, die sehr Tech-related sind: Hier Hausautomatisierung, dort ein bisschen 3D-Druck. Anyway: Das Endresultat sind wirklich absurde hohe Bildschirmzeiten. Während ich die Zeilen hier schreibe, merke ich erst, wie hoch die wirklich sind, wenn man jeden Bildschirm in die Rechnung mit einbezieht.

Kreativer Schaffensprozess gleicht mehr angewandten Handwerks

In meinem kreativen Schaffensprozess bin ich zu sehr beeinflusst von Content, den ich irgendwo sehe. Dinge kommen nicht mehr so viel aus mir heraus, weil ich sie fühle und „erfinde“, sondern weil ich sie irgendwo schon mal gesehen habe, und unbewusst vieles Remixe. Das ist nicht mein Anspruch, den ich dauerhaft habe. Ich bin viel besser darin geworden, Content hübsch aussehen zu lassen: ’n goldener Schnitt hier im Foto, das 8-pt-spacing-System hier, die Farbtheorie oder der Fragebogen zur Logoerstellung – das sind alles Werkzeuge in einem Werkzeugkasten, die ich gelernt habe, anzuwenden. Kreativ und fantasievoll ist das aber nicht zwingend.

So habe ich daran gearbeitet

Ich habe schon ’ne Menge Anstregungen und Versuche unternommen, zumindest von meinem Smartphone wegzukommen, weil ich das als „ungesündesten“ Bildschirm ansehe. Das hat zeitweise gut geklappt, zeitweise aber auch ziemlich scheiße. Ich bin nach meinem Sommerurlaub 2023 eine Weile lang jede Mittagspause ohne Handy einfach eine Runde durch den Wald spazieren gegangen und habe direkt eine Veränderung festgestellt: Ich habe wieder mehr in der Gegend herumgeschaut, mehr Tiere, Natur, Gegenstände betrachtet. Die bloße Abwesenheit des Gefühls des Smartphones am Oberschenkel hat einerseits eine wirkliche Beruhigung ausgelöst und mich freier werden lassen, als andererseits auch eine Nervosität, weil… Machen wir uns nix vor: Ich bin hardcore-mäßig süchtig nach dem Smartphone.

Beobachtung: Bin ’n Hans-guck-in-die-Luft

Ich habe auch festgestellt, dass ich mehr nach oben schaue, wenn ich das Smartphone nicht dabei habe, als sonst. So gruselig und abhängig das auch klingt, aber das Gefühl des Smartphones in der Hosentasche am Oberschenkel, „zwingt“ meinen Blick in die untere Hälfte: Boden, Straßenrand, Weg vor mir, Schuhe. Es ist, als wäre mein Körper bemüht, einen kürzeren Weg mit den Augen haben zu wollen, für den Fall, dass sich die nächste Push-Notification meldet oder ich einfach so reflexartig zum Handy greife um zu gucken, ob’s was neues (aka unwichtigem Scheiß) gibt. Kaum ist das Smartphone weg: Ich gucke nach oben, schau mir Baumkronen an. Komplett strange und irre beunruhigend.

Und sobald das passiert, merke ich, wie mein kindlicher Blick und meine kindliche Kreativität und Fantasie zurück kommt: Ich sehe Dinge anders, ich nehme Dinge anders wahr. Ich merke dass die bewucherten Pfade meiner kreativen Fantasie-Synapsen im Gehirn wieder etwas mehr freigetreten werden. Angelegt ist das ja alles im Gehirn, aber es ist nicht mehr gut accessible für mich.

Ratgeber sind scheiße

Jetzt ist die Sache die: Es gibt ja ’ne Menge „Wie komm‘ ich von meinem Smartphone weg?“-Ratgeber in Form von Büchern, ironischerweise YouTube-Videos usw. – Aber: Die haben alle eins gemeinsam: Sie sollen dir das Smartphone abgewöhnen. Aber das will ich nicht: Ich erkenne ja auch an, dass Smartphones viele guten Eigenschaften und Bequemlichkeiten mit sich bringen: Banking, Kommunikation, Wissen, Bequemlichkeiten im Alltag (Parkschein per App, ApplePay an der Kasse usw.). Das will ich ja nicht missen, und das ist imho auch nicht das, was mich so stark beeinflusst.

Vom Medien-Süchtigen zum Genuss-Scroller

Was ich suche und zu brauchen meine, ist ’n Ratgeber, der mir einen gesunden Umgang mit diesen Medien eröffnet. Aber das ist wie ’n Ratgeber für eine*n Alkoholiker*in, der dich nicht von deiner Alkoholsucht weg bringt, sondern dich zum verantwortungsbewussten Genusstrinker macht. Das gibt’s nicht – wäre mir zumindest nicht bekannt. Sowas suche ich aber für meinen Medienkonsum.

Das erfordert irre viel Disziplin, und einige andere Ansätze, die psychologisch bei mir funktionieren. Paar Anhaltspunkte, falls das noch wem so geht:

Bildschirmzeit zu begrenzen funktioniert bei mir nur die ersten 2-3 Tage. Danach gar nicht mehr. Ich bekomme die Meldung auf dem iPhone, dass meine selbst gewählte Bildschirmzeit für App XY abgelaufen sei, und was ich nun tun möchte. Klar, ich kann die App schließen, aber die App weiter zu benutzen ist genau 1/3 Sekunde und einen Tap auf den Ignorieren-Button weit entfernt, also mache ich das. Dass das ungesund ist, weiß ich auch.

Hürden erhöhen

Was bei mir besser funktioniert, eine Methode, die sich für mich herauskristallisiert hat, und die sich in der Schnittmenge „bin süchtig“ und „bin aber auch faul und ungeduldig“ befindet: Ich hebe die Hürde an, die Apps verwenden zu können: Logout, und App deinstallieren. Die Hürde, die App wieder neu zu verwenden, wird so hoch und zeitaufwändig, dass das Benutzererlebnis so verschlechtert wird, dass das ganze für mich unattraktiv wird. Um die App zu benutzen, muss ich in den AppStore gehen, sie runterladen, warten (!), mich neu einloggen, AppTracking-Ablehnen, alle Benachrichtigungen verbieten usw. – alles bevor ich überhaupt losscrollen kann. Das nervt mich so sehr, dass ich sie gar nicht mehr öffnen will.

Ich mache das Zeitweise immer ’ne Weile lang, bis ich „rückfällig“ werde und die App dann erst mal wieder auf dem Handy lasse und die Hürde dadurch wieder gesenkt wird.

Mehr Geräte sollen ’n Ausweg sein?

So strange und widersprüchlich das auch klingt, aber ich hatte schon überlegt, ob ein weiteres iDevice ein Ausweg aus der Misere wäre: eine Apple Watch. Der Gedankengang hinter dieser Idee ist folgender: Ich bin Technik gegenüber generell aufgeschlossen und möchte weiterhin unterwegs die Komfortfeatures des 21. Jahrhunderts nicht missen: ApplePay, Smartes Türschloss aufschließen, Parkschein per App, generell im Notfalle erreichbar sein usw. Eine Apple Watch würde diese Dinge alle mitbringen. Gleichzeitig – so meine naive Vorstellung – macht’s auch keinen Spaß, sich wirklich Content auf der Watch anzuschauen oder Zeit zu verdaddeln, weil das Display einfach zu klein ist und die Bedienung auch nicht so angenehm, wie auf dem Smartphone.

Aber: Ich trag halt super ungern Uhren.

Ich bin nicht fertig auf meinem Weg, mit dem ungesunden Einfluss von Medienkonsum auf Kreativität und Fantasie bei mir umzugehen. Das ist ’ne Reise. Wenn du Fragen und/oder Tipps hast, die nicht in Ratgebern stehen, schreib mir gern.

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